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Leben mit Lärmmonstern - Die besten Wohnlagen in Mainz
Seit Eröffnung der neuen Startbahn am Rhein-Main-Flughafen kommen die Mainzer nicht mehr zur Ruhe. Sie ertragen das so stoisch wie die steigenden Immobilienpreise.
Zu Mainz gehören der Karneval, die Mainzelmännchen – und der Krach von oben. An immer mehr Straßenecken in der Stadt sieht man die Plakate gegen die „Lärmmonster“ vom Frankfurter Flughafen. Seit Ende 2011 die Landebahn Nordwest eröffnet wurde, ist fast das gesamte Mainzer Stadtgebiet vom Fluglärm betroffen. Je nach Wetter und Windrichtung trifft es mal das eine, mal das andere Quartier. Die Flieger verschonen selbst gute Wohngegenden nicht, weder Gonsenheim noch den Volkspark oder die Uferlagen.
Die Mainzer arrangieren sich. „Man braucht Schallschutzfenster“, sagt Maklerin Beate Stagge. „Wohnungssuchende von außerhalb weise ich immer extra auf das Problem hin.“ Was die zumeist nicht abhält.
Die Preise und Mieten der Universitätsstadt mit ihren gut 200.000 Einwohnern steigen beständig. Im Ranking der Dekabank, die 39 deutsche Großstädte hinsichtlich ihrer Qualität als Immobilienstandort bewertet, kletterte Mainz zuletzt auf den dritten Platz, nur getoppt von München und Frankfurt. Die Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz punktete mit Arbeit und Bildung. Laut Deka einziger Minuspunkt: Mainz sei nicht sehr grün.
Die Experten vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erwarten, dass Mieten und Kaufpreise weiter kräftig zulegen, weil die Zahl der Haushalte und damit die Nachfrage weiter steige. Verzeichnete Mainz seit 2010 jährlich ein durchschnittliches Mietenplus im Neubau von 3,7 Prozent, so rechnen die DIW-Forscher 2014 mit einem Anstieg um 7,6 Prozent. Die Kaufpreise für Neubauten kletterten seit 2010 um 5,8 Prozent. Für 2014 wird ein Plus von 9,3 Prozent erwartet.
War der Handel mit Bestands­immobilien in Mainz durch den Ausbau des Frankfurter Flughafens zeitweise ins Stocken geraten, hat er sich zuletzt wieder erholt. Laut Engel & Völkers haben sich Ein- und Zweifamilienhäuser seit 2012 um fast ein Fünftel verteuert. Vor allem citynahe Wohnungen werden gesucht, ebenso Reihenhäuser in allen Stadtteilen.
Bei dieser positiven Grundstimmung dürften die geplanten Neubauprojekte gut vom Markt aufgenommen werden. Zum Beispiel die Wohnungen auf dem früheren IBM-Gelände an der Hechtsheimer Straße in Weisenau. Hier will die Stadt günstigen Wohnraum für etwa 2500 Menschen entwickeln. Der Fokus liegt auf Geschosswohnungen. Auch der deutlich teurere Zollhafen mit rund 1400 Wohneinheiten wird auf großes Inter­esse stoßen. Die Wohnungen in der begehrten Rheinuferlage, die Ende 2015 fertig sein sollen, will der Projektentwickler für mindestens 5000 Euro pro Quadratmeter anbieten.
Beliebt sind generell Viertel mit guter Autobahn- oder S-Bahn-Anbindung, also Innenstadt, Hechtsheim, Bretzenheim und Laubenheim. Mainzer, die in Frankfurt arbeiten, dort aber nicht wohnen wollen, suchen hier günstigen Wohnraum.
Den Bedarf an Unterkünften im unteren Preisniveau halten auch viele der rund 37.000 Mainzer Studenten aufrecht, die nach ihrem Abschluss in der Stadt bleiben. Die Lage am Arbeitsmarkt ist günstig, die Lebensart lässig. „Die Mainzer sind Fremden gegenüber unheimlich offen“, sagt Maklerin Stagge. Geschätzt wird überdies die gute Durchmischung vieler Stadtteile. Einfache Gegenden grenzen an Top-Lagen, wie etwa in Gonsenheim, wo sich das noble Waldvillenviertel in direkter Nachbarschaft zu den Hochhäusern an der Elsa-Brändström-Straße befindet.
Die Nachfrage nach Wohnungen in der historischen Altstadt, am Rheinufer oder in den gehobenen Vierteln in Citynähe wird vielfach von Rentnern in die Höhe getrieben, die zurück in die Stadt ziehen. „Die haben durch den eigenen Hausverkauf viel Bares zur Verfügung, die müssen nicht so genau auf den Preis achten“, meint der Immobilienmakler Christian Stark. Laut Katja Simontowski von Engel & Völkers sucht diese Gruppe vor allem barrierefreie Neubauten mit Aufzug. „Neubauten in der Innenstadt sind daher derzeit das Top-Produkt.“
Der Fluglärm wird Kauf- und Mietinteressenten in jedem Fall begleiten. „Es bleibt ungewiss, wie sich die Flugrouten entwickeln“, sagt Makler Felix Kern von Jung & Kern Immobilien. „Man weiß nie, wo es in fünf Jahren besonders laut sein wird.“ Er rät, jedes Objekt zweimal zu besichtigen: bei Ostwind, da hört man die landenden Flugzeuge, und bei Westwind, da hört man die startenden Flieger.
capital.de, 18.06.2014 |
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