Quelle:
Schwarzer R. (1987, 2.Aufl.). Stress, Angst und Hilflosigkeit (S.92-126). Stuttgart. Kohlhammer.
Soziale Angst
Definition:
 Soziale Angst ist eine Gefühlsreaktion, die angesichts einer bestehenden oder bevorstehenden interpersonellen Beziehung auftritt.
 Die Person empfindet sieht sich einer sozialen Situation ausgesetzt und eine unangenehme und beeinträchtigende Erregung.
 Nach Buss lässt sich soziale Angst in vier Arten untersteilen:
 Verlegenheit, Scham, Publikumsangst und Schüchternheit.
Verlegenheit
 Bedrohung des Selbst (öffentliches Selbst).
 Grundlage für soziale Angst ist deshalb die öffentliche Selbstaufmerksamkeit.
 Die Auslösung der sozialen Angst erfolgt durch die Art der sozialen Umgebung und durch das Verhalten der Mitmenschen
 Die Person fühlt sich sozial zurückgewiesen und stellt sich in ihrer Eigenschaft als soziales Objekt in Frage.
 Hauptmerkmal der Verlegenheit ist das Erröten.
 Kinder erröten erst ab dem 3.Lebensjahr (Wahrscheinlich miss erst ein Entwicklungsstand erreicht sein indem die Fähigkeit zur öffentlichen Selbstaufmerksamkeit vorhanden ist.
 Die unmittelbaren Ursachen von Verlegenheit sind in ungeschickten oder fehlerhaften Verhalten, sozialer Hervorgehobenheit und Verletzung von Privatheit zu suche.
 Übertriebenes Lob kann auch eine Quelle von Verlegenheit sein.
 Die unmittelbaren Ursachen von Verlegenheit sind also situationsgebunden.
 Aber auch personale Faktoren dürften eine Rolle spielen. (Menschen mit hoher öffentlicher Selbstaufmerksamkeit, aber auch Menschen denen soziale Kompetenzen fehlen sind anfällig)
 Denn Menschen lassen sich danach unterscheiden, inwieweit sie dazu bereit sind, über ihre Wünsche, Gefühle, Motive, Einstellungen und persönlichen Daten Auskunft zu geben.
 Wer über eine geringe Bereitschaft zur Selbstauskunft verfügt ist anfälliger für Verlegenheit.
Konsequenzen von Verlegenheit:
• Erröten des Gesichts.
• Tendenz die unangenehme Situation verlassen zu wollen.
• Verlegenheit ist also mit emotionalen, kognitiven und handlungsbezogenen Konsequenzen verbunden.
 Buss konstatiert, dass Verlegenheit im Laufe der Lebensgeschichte gelernt wird und auf bestimmten Sozialpraktiken beruht. (z.B. Auslachen und Hänseln; Kinder, die als tolpatschik, linkisch oder unbeholfen hingestellt werden)
 Das Kind lernt welche Dinge in der Öffentlichkeit und welche im privaten Bereich getan werden dürfen.
 Misslingt die Einhaltung der Privatheit, so dieselbe psychische Reaktion auf, die aufgrund von verbalen Bestrafungen gelernt worden ist.
 Das Gegenteil von Verlegenheit ist Gelassenheit.
Scham
 Scham ist längerdauernd, gravierender und moralbezogen (im Gegensatz zur Verlegenheit, die kurzfristig und relativ unbedeutend und frei von moralischen Implikationen ist).
 Das Gegenteil von Scham ist Stolz.
Konsequenzen von Scham:
• Wer sich schämt ist sich eines Fehlverhaltens bewusst und empfindet Selbstverachtung und Selbstentäuschung.
• Er macht sich Vorwürfe, bereut das Geschehene und kommt sich wertlos und unwürdig vor.
 Die unmittelbaren Ursachen liegen meistens in offenkundigen Minderleistungen, in Nichterfüllung sozialer Erwartungen und in unmoralischen Verhalten im sozialen Kontext. (sexuelles Versagen, Feigheit, Egoismus, normverletzendes Verhalten.
 Alle möglichen Handlungen, die der gültigen Moral zuwiderlaufen sind grundsätzlich schamauslösend.
 Die Affektstärke hängt mit der Verwerflichkeit der Tat und Art und Weise individueller Schuldzuschreibung zusammen.
 Es gibt eine gewisse Disposition zur Scham
 Öffentliche Selbstaufmerksamkeit.
 Vorhandensein eines Stigmas (z.B. Körpermerkmal).
 Um sich schuldig zu fühlen bedarf es der privaten um sich zu schämen, bedarf es der öffentlichen Selbstaufmerksamkeit.
 Unentdeckte Taten können Schuldgefühle, nicht aber Schamgefühle auslösen.
 Die Entwicklung des Schamgefühl im Verlauf der Lebensgeschichte beruht auf der Sozialisation vor allem im Elternhaus.
 Der Grad elterlicher Zuneigung wird vom Handeln des Kindes abhängig gemacht.
 Wenn dies zu früh oder übertrieben geschieht, wird die Voraussetzung für eine unmäßige Entwicklung von Schuld- und Schamreaktionen geschaffen.
Publikumsangst
 Die Aufteilung einer Gruppe in aktiv Handelnde und passive Beobachter rückt eine oder wenige Personen ins Rampenlicht und unterzieht sie einer impliziten oder expliziten Bewertungsprozedur.
 Publikumsangst
Reaktionsweise bei Publikumsangst auf vier Ebenen:
• Ausdrucksebene – blasses Gesicht, unsichere Stimme, verkrampfte Körperhaltung.
• Physiologisch – Aktivierung des Sympathikus, erhöhter Blutdruck, erhöhte Herzfrequenz, Atembeschleunigung.
• Verhaltensebene – Desorganisation.
• Persönliches Erleben – Besorgtheit (worry) und Aufgeregtheit.
 Eine Person ist in doppelter Hinsicht besorgt, denn sie erwartet eine Bewertung ihrer Handlungsqualität und eine mögliche soziale Zurückweisung. (Leistungsangst und soziale Angst wirken hier also gemeinsam)
 Gegenstände der Bewertung sind oftmals die äußere Erscheinung, der Redestil, die Gestik und die zum Ausdruck kommende Einstellung (z.B. die politische Einstellung).
Ursachen für Publikumsangst
• soziale Handlungshervorgehobenheit der eigenen Person
• Neuartigkeit der Perspektive oder Rolle des Handelnden
• Struktur des Publikums und deren Verhaltensweise
 Eine gedankliche Vorwegnahme der Situation führt schon vor dem Auftritt zur sozialen Angst (Lampenfieber).
• Geringe Selbstachtung
• Bewertungsangst und Furchtsamkeit
Schüchternheit
 Schüchternheit macht es schwierig, neue Kontakte zu knüpfen und soziale Erfahrungen zu genießen.
 Sie hindert daran, eine Überzeugung auszusprechen und die eigenen Interessen durchzusetzen.
 Sie macht uns nur begrenzt aufnahmefähig gegenüber Lob von anderen.
 Sie begünstigt Selbstaufmerksamkeit und eine ständige Voreingenommenheit mit der eigenen Person.
 Sie beeinträchtigt die Kommunikation und führt zur Desorganisation des Verhaltens.
 Sie wird begleitet v on Angst, Depression und Einsamkeit.
 Der Schüchterne meidet Blickkontakt, hält Abstand (versucht außerhalb der Schusslinie zu sein)
 Er spricht wenig und leise und macht lange Pausen.
 Er bleibt ernst, zurückhaltend und reduziert seine Körperbewegungen.
• Das Gegenteil ist der extravertierte, laute, ordinäre, dummdreiste und impulsive Mensch.
 Schüchterne wirken oftmals sehr höflich – trotzdem gibt es Unterscheidungen zum höflichen Menschen.
 Der Höfliche setzt seine sozialen Verhaltensweisen gezielt und bewusst ein, der Schüchterne dagegen kann nicht anders als er ist.
 Der Höfliche bleibt ruhig und gelassen.
 Der Schüchterne wird von sozialer Angst überflutet und befindet sich in einem Zustand öffentlicher Selbstaufmerksamkeit.
Ursachen für Schüchternheit
• Fremdartigkeit der Situation und der eigenen Hervorgehobenheit.
• Bei Versuchen das Persönlichkeitsmerkmal „Schüchternheit“ zu erfassen spielt fast immer „Verlegenheit“ oder „allgemeine soziale Ängstlichkeit“ eine Rolle.
• Personen mit geringer Geselligkeitstendenz sind meistens auch schüchtern.
• Hohe Selbstaufmerksamkeit. (bei schüchternen Personen ist diese Disposition erhöht)
• Mangel an effektiven sozialen Kompetenzen.
Buss unterscheidet eine Schüchternheit, die sich in den ersten Lebensjahren entwickelt und eine Schüchternheit, die ungefähr nach dem 5. Lebensjahr beginnt.
 Ein schüchternes Kleinkind ist leicht emotional erregbar und hat nur ein geringes Geselligkeitsbedürfnis (in neuen Situationen ist es unruhig, angespannt).
 Die sich spät entwickelnde Schüchternheit beruht vor allem auf der Wahrnehmung der eigenen Person als soziales Objekt.
 Fehlendes Selbstvertrauen begünstigt bei Kindern Schüchternheit.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede sozialer Ängste
 Verlegenheit, Scham, Publikumangst und Schüchternheit
Gemeinsamkeiten
• Anwesenheit anderer Personen
• Gefühl des Unbehagens und der Selbstwertbeeinträchtigung
• Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wie Selbstkonzept und Erregbarkeit spielen eine fördernde Rolle.
• Sozialer Stress, da die Situation als herausfordernd, schädigend oder bedrohlich eingestuft wird.
• Öffentliche Selbstaufmerksamkeit und die Hervorgehobenheit als soziales Objekt.
Verschiedenheiten
• Verlegenheit und Scham hängen relativ eng miteinander zusammen
 Hier Tendenz sich selbst für ein kritisches Ereignis oder seine Ungeschicklichkeit verantwortlich zu machen.
 Enthüllung der Privatheit einer Person.
• Publikumsangst und Schüchternheit hängen ebenfalls eng miteinander zusammen
 soziale Hervorgehobenheit, Neuartigkeit der Situation.
 Bewertungsangst
Adaptive Handlungen zur Überwindung sozialer Ängstlichkeit
 Soziale Ängstlichkeit ist ein erworbenes Persönlichkeitsmerkmal, das aus einer Vielzahl von Verhaltenstendenzen gebildet wird.
 Beeinflussung der Wahrnehmung der eigenen Person (wer keine sozialen Stress empfindet erfährt auch keine unangenehmen Begleitemotionen).
 Kognitive Verhaltensmodifikation als Therapieansatz.
 Wahrnehmung eines handlungswirksamen Selbst.
 Entspannungstraining.
 Aufbau von sozialer Kompetenz
Drei Elemente als päd. Maßnahmen zur Überweindung sozialer Ängstlichkeit
 Stärkung des Selbstvertrauens.
 Entspannung
 Selbstbehauptendes Handeln |